Angst und Panik – was ist das?
Ängste und Panik sind Emotionen, die zum normalen menschlichen Erleben gehören. Jeder Mensch hat die Veranlagung, unter gewissen Bedingungen Angst und Panik zu erleben. Normalerweise tritt Panik unter Umständen auf, bei denen Lebensgefahr besteht. Die Symptome zeigen sich schnell, unerwartet und sehr intensiv. Die Panikreaktion in ihrer hilfreichen Form dient dazu, das Überleben zu sichern und möglichen Schaden durch eine schnelle Reaktion abzuwenden. Menschen mit einer Panikstörung erleben diese an sich hilfreiche Emotion unter Umständen, ohne dabei in Lebensgefahr zu sein. Oft leiden Betroffene unnötig lange unter der Symptomatik. Dies ist nicht nötig. Eine Panikstörung kann erfolgreich mit einer kognitiven Verhaltenstherapie behandelt werden. Das Ziel ist es, das Vertrauen in sich, den eigenen Körper und seine Bewältigungsstrategien zurückzugewinnen, um mit den panikartigen Zuständen umgehen zu können.
Was ist der Unterschied zwischen Angst und Panik?
Angst ist ein Zustand, in dem wir das Gefühl haben, dass etwas Gefährliches passieren wird. Sie ist verbunden mit der Erwartungshaltung einer kommenden Gefahr. Damit geht einher, dass sich unsere Aufmerksamkeit auf vermeintliche Gefahren fokussiert. Die Umwelt wird auf Anzeichen möglicher Gefahr unter die Lupe genommen. Um dafür körperlich und geistig leistungsfähiger zu werden, wird der Körper aktiviert und in Alarmbereitschaft versetzt. Wird die Angst dabei allerdings zu groß, verliert sie ihre leistungssteigernde Wirkung wieder. Wird dieses Angstsystem unnötig häufig aktiviert, wird viel Energie dazu aufgewandt, nach möglichen Gefahren Ausschau zu halten und es fällt schwer, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Hierunter kann die Alltagsbewältigung leiden.
Im Gegensatz zur Angst dient Panik nicht dazu, Ausschau nach kommenden Gefahren zu halten, sondern der Bewältigung einer Gefahr, die bereits vorhanden ist. Hierbei findet keine vorherige Alarmbereitschaft statt, sondern die Reaktion geschieht ohne jegliche Vorwarnung. Der Körper wird sofort in einen Zustand der Handlungsbereitschaft versetzt, um beispielsweise einem Auto im Straßenverkehr auszuweichen. So soll ein Unfall vermieden werden, ohne vorher kostbare Zeit zu verlieren. Der hauptsächliche Impuls ist es, diese Gefahrensituation schnellstmöglich zu bewältigen oder zu verlassen.
Körperliche Symptome und ihr evolutionärer Hintergrund
Panik wird von verschiedenen Symptomen begleitet, wie Herzrasen, Herzklopfen, Schwitzen, Zittern, Schwindel, Übelkeit, Durchfall, Kurzatmigkeit, Atemnot, Taubheitsgefühle oder Kribbeln in Fingern oder Zehen, einem Engegefühl/Schmerzen in der Brust und Gefühlen der Unwirklichkeit.
So unangenehm diese Symptome auch sind, liegt ihnen jedoch eine evolutionäre Bedeutung zugrunde. Das Kribbeln ist ein Zeichen der erhöhten Sauerstoff- und Zuckerzufuhr in der Muskulatur. Die Erhöhung der Herzfrequenz dient dazu, schnell viel Blut im Körper umzuverteilen. Die schnelle Atmung stellt den benötigten Sauerstoff zur Verfügung und sorgt für eine schnelle Ausatmung von Kohlendioxid. Zittern bereitet die Muskulatur vor, damit sie umgehend volle Leistungsfähigkeit erreichen kann. Das Gefühl von Übelkeit ist ein Zeichen der Verringerung der Verdauungstätigkeit bis zur Entleerung des Magen-Darm-Trakts zur Reduzierung des Körpergewichts und Erhöhung der Schnelligkeit. Das Schwitzen beruht auf der Aktivierung des Kühlsystems des Körpers zum Schutz vor Überhitzung. Alle Empfindungen einer Panikattacke sind das Resultat notwendiger Veränderungen zur Aktivierung des Verteidigungssystems unseres Körpers.
Diese Veränderungen sind nicht schädlich. Sie dienen dem Zweck in akuten Gefahrensituationen unser Überleben zu sichern. Leider kann dieses Verteidigungssystem nicht unterscheiden, ob es sich um eine wirkliche Gefahr handelt oder einen Fehlalarm. Erst im Nachhinein können wir beurteilen, ob diese Reaktion fälschlicherweise ausgelöst wurde.
Wie entsteht eine Panikstörung?
Wenn wir uns in einer realen Gefahrensituation befinden, z.B. ein Kind läuft plötzlich vor das Auto und wir können gerade noch stoppen, dann nehmen wir die Begleiterscheinungen wie den erhöhten Herzschlag, die veränderte Atmung, usw. mitunter erst nach der Bewältigung der Situation wahr. Unter diesen Umständen beunruhigen uns diese Symptome nicht, da wir sie klar dem voran gegangenen Vorfall zuordnen können.
Werden diese Veränderungen (erhöhter Herzschlag, veränderter Atmung, usw.) aus anderen Gründen aktiviert, ohne dass wir eine Gefahrenquelle identifizieren können, richtet sich die Aufmerksamkeit auf der Suche nach der Ursache nach innen. Haben wir vielleicht einen Herzinfarkt? Einen Schlaganfall? Werden wir verrückt? Solche Gedanken sind beängstigend und lösen ihrerseits neue Reaktionen aus. Jetzt kann ein Teufelskreis entstehen, der sich immer weiter selbst verstärkt.
Drei Faktoren die eine Panikattacke fördern
Beängstigende Gedanken
Beängstigende Gedanken sind ein häufiger Grund für das Auftreten von Panikstörungen. Oft zeigen sich diese Gedanken in einer Fehlinterpretation der vorhandenen Empfindungen (Schwindel, Schwitzen, Anspannung, Atemnot usw.). Es liegt die Überzeugung zu Grunde, dass die auftretenden körperlichen Empfindungen ein Anzeichen einer ernsthaften körperlichen Erkrankung sind und akute Gefahr besteht.
Eine weitere Art von beängstigenden Gedanken entsteht durch das Sich-Sorgen-Machen über die möglichen Folgen einer Panikattacke. Sie haben Angst vor den Konsequenzen zum Beispiel dem Kontrollverlust („Was soll ich machen, wenn eine Panikattacke während der Autofahrt auftritt?“), den sozialen Auswirkungen („Was denken die anderen über mich?“), die Hilflosigkeit, keine Lösung zu finden, um selbst die Kontrolle zurückzuerlangen („Wie soll das so weitergehen, wenn ich die Panikattacken nicht kontrollieren kann?“). Diese Gedanken erzeugen Angst. Dies wiederum erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich neue Anfälle ereignen.
Eingefahrene Gedächtnisspuren
Erfahrungen und Erinnerungen hinterlassen Gedächtnisspuren. Werden bestimmte Situationen mit negativen Erfahrungen verbunden, vielleicht die erste Panikattacke während einer S-Bahnfahrt so kann später allein dieselbe Situation wieder eine erneute Panikattacke auslösen. Je öfters eine Situation im Zusammenhang mit einer Panikattacke erlebt wird, umso so stärker wird die Verbindung und die automatische Reaktion darauf
Sicherheitsverhalten
Um die Kontrolle wiederzuerlangen, neigen Menschen mit einer Panikstörung dazu, sich Verhaltensweisen anzugewöhnen, die ihnen ein Gefühl von Sicherheit vermitteln sollen. Zum Beispiel tragen sie schnell wirksame, angstlösende Medikamente bei sich. Dies reicht oft schon aus, um eine gewisse Sicherheit zu empfinden, auch ohne die Medikamente einnehmen zu müssen. Sicherheitsverhalten kann jedoch tückisch sein, wenn es auf Vermeidungsverhalten beruht. Die vermeintliche Kontrolle über die Angst durch das Vermeidungsverhalten kann zu erheblichen Einschränkungen im Alltag führen. Bei manchen Menschen verstärkt sich das Vermeidungsverhalten soweit, dass sie kaum noch das Haus verlassen.
Agoraphobie – Angst vor bestimmten Orten oder Situationen
Oft treten Panikattacken auch mit der Angst vor bestimmten Orten oder Situationen auf. Die meisten Panikattacken finden an öffentlichen Orten statt. Wenn es auf den ersten Blick keine Erklärung für die körperlichen Symptome gibt, kann es offensichtlich erscheinen, dass der Ort z.B. die S-Bahn oder viele Menschen der Auslöser sein könnten. Meist lassen die körperlichen Beschwerden auch relativ schnell wieder nach und man erlebt es als hilfreich, die Umgebung oder Situation zu verlassen.
Dies kann dazu führen, dass man zukünftig vermeidet, solche Situationen aufzusuchen. Meist kommen dann schnell andere Situationen hinzu, die vermieden werden. Dadurch breitet sich die Furcht vor möglichen Gefahrensituationen im Leben immer weiter aus. Dieses Vermeidungsverhalten kann sich dann soweit verstärken, dass Betroffene ihre Wohnung kaum mehr verlassen. Betreffen die Ängste nur einige Situationen, welche im Alltag nicht unbedingt aufgesucht werden müssen, leben viele Menschen auch unbehandelt mit einer Agoraphobie. Sind die Einschränkungen oder persönliche Leidensdruck zu groß, ist es sinnvoll therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Diagnose und Behandlungsbeginn
Angsterkrankungen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Im Schnitt dauert es mehrere Jahre bis Betroffene eine korrekte Diagnose erhalten. Oft werden Panikstörungen aufgrund ihrer körperlichen Symptome lange Zeit falsch diagnostiziert. So bestehen die Symptome und der Leidensdruck oft unnötig lange bis eine Behandlung begonnen wird. Kommt es zu einer Chronifizierung können weitere Erkrankungen wie Depressionen, Suchtprobleme, körperliche Störungen wie Bluthochdruck, Probleme am Arbeitsplatz oder Schwierigkeiten im sozialen Umfeld dazu kommen. Dies ist unnötig, da es wirksame Therapieverfahren wie die Kognitive Verhaltenstherapie und Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung und Atemtechniken gibt, die helfen, die körperliche Erregung der Angst zu vermindern.
Behandlung von Panikattacken
Panikstörungen können auf unterschiedliche Weise behandelt werden. Je nach Symptomatik kann es ausreichen, Ratgeber zur Selbsthilfe zu lesen und die Praxistipps in den Alltag zu integrieren. Ist die Symptomatik ausgeprägter kann es nötig sein, sich psychotherapeutische Hilfe bei einem Psychotherapeuten oder Heilpraktiker für Psychotherapie zu holen. Hier kommt als Therapieverfahren meist Verhaltenstherapie, Kognitive Verhaltenstherapie und Entspannungsverfahren wie Atementspannung und Progressive Muskelentspannung zum Einsatz. Vorübergehend kann eine Behandlung mit Medikamenten sinnvoll sein. In diesem Fall hat sich auch die Kombination von Medikamenten und Verhaltenstherapie als besonders effektiv erwiesen.
Behandlungsmethoden bei Panikattacken im Überblick
Selbsthilfe
Zu diesem Thema gibt es einige Ratgeber. Meistens enthalten sie Übungsaufgaben. Sie dienen dazu die Erwartungsangst herabzusetzen und die Schwelle für Angstreaktionen zu senken. Sie sind oft mit Konfrontationsübungen verbunden, um zu lernen, beängstigende Situationen bewusst auszuhalten. Dies fördert die Erfahrung, dass Angst nicht zur Katastrophe wird, nicht fortwährend ansteigt, ewig andauert, sondern von alleine wieder abnimmt.
Verhaltenstherapie
Eine Verhaltenstherapie beginnt mit einem Gespräch. Dabei wird geklärt, welche Bedingungen die Symptome verursachen bzw. ausgelöst haben und, noch wichtiger, welche Bedingungen Sie aufrechterhalten. Dann erfolgt eine Aufklärung über Angsterkrankungen und das Behandlungsprinzip allgemein. Eine erste Besserung der Symptome kann schon eintreten, wenn bewusst wird, dass die Symptomatik durch das eigene Verhalten positiv beeinflusst werden kann. Meist schließt sich dann eine Phase der Selbstbeobachtung in Form von Alltagsübungen an. Diese Übungen, die auch als Expositionstherapie (Konfrontation mit Alltagssituationen) bekannt sind, dienen dazu, das Vermeidungsverhalten abzubauen. Ängste werden zugelassen und dabei die Erfahrung gemacht, dass die befürchtete Katastrophe nicht eintritt.
Kognitive Verhaltenstherapie
Die Kognitive Verhaltenstherapie ist eine Erweiterung zu den Übungen der Verhaltenstherapie, welche auch oft bei Heilpraktikern für Psychotherapie angewandt wird. Hier werden die persönlichen Bewertungen und Interpretationen gegenüber den angstauslösenden Situationen gemeinsam analysiert. Meist handelt es sich hierbei um automatisch ablaufende Gedanken oder Selbstgespräche, welche die Angstgefühle ungünstig beeinflussen. Die Kognitive Verhaltenstherapie zielt darauf ab, diese Bewertungen zu verändern, um die daraus entstehenden Angstgefühle zu verringern.
Entspannungsverfahren
Spezielle Entspannungsverfahren dienen dazu, die körperlichen Symptome der Angstreaktion zu verringern. Dazu eignen sich Entspannungsverfahren wie Atementspannung und Progressive Muskelentspannung sehr gut. Durch die Entspannungstechniken wird der Angst eine konträre Reaktion gegenübergestellt – die Entspannung. Angst und Entspannung schließen sich gegenseitig aus. Diese Techniken werden oft als einfach zu erlernen und sehr hilfreich wahrgenommen.
Kombination aus Selbsthilfe, Verhaltenstherapie und Entspannungsverfahren
Erfahrungsgemäß ist eine Kombination aus den verschiedenen Behandlungsmethoden der effektivste Weg, schnellstmöglich eine Besserung der Symptomatik zu bewirken. In meiner Praxis als Heilpraktiker für Psychotherapie verwende ich eine Kombination aus kognitiver Verhaltenstherapie, Psychoedukation, emotionsbezogener Psychotherapie, Achtsamkeitsübungen und die Entspannungstechniken Progressive Muskelentspannung und Atementspannung. Die unterschiedlichen Behandlungsansätze haben ihre jeweiligen Vorteile und ermöglichen dadurch eine ganzheitliche Behandlung.
Quellen:
Heinrichs, Nina (2007) Ratgeber Panikstörungen und Agoraphobie. Göttingen: Hogrefe Verlag.
Alseben, H. (2004) Psychoedukation Angst- und Panikstörungen. München: Elsevier GmbH
Wittchen, H.-U. (1997) Panik Ratgeber. Freiburg: S. Karger GmbH.
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